Textressort - Storytelling

Jürgen Thonert ist für die Archivpflege verantwortlich und schreibt die Zeittafel im Heimatbrief sowie das Jahrbuch seit 20 Jahren.
Reportagen

Auf Spurensuche im Heimatmuseum

Manchmal sieht man den Wald vor Bäumen nicht oder, wie in diesem Fall, das Heimatmuseum vor Eichenblättern nicht. Denn es liegt so zentral wie nur irgend möglich: Inmitten Zehlendorfs Mitte, Berlin, neben der Dorfkirche, an der großen Kreuzung hinter der alten Eiche. Eigentlich nicht zu übersehen. Und dennoch kennen viele Zehlendorfer ihr Heimatmuseum nicht oder sind schon oft vorbei gelaufen, aber waren noch nie drinnen. Ein guter Grund, sich auf Spurensuche zu begeben. Unser Interview mit Klaus-Peter Laschinsky (Jahrgang 1942), Vorsitzender des Heimatvereins Zehlendorf, und Jürgen Thonert (Jahrgang 1944), Verantwortlicher für Archivpflege, dreht sich um die Geschichte Zehlendorfs und des Heimatmuseums mit Bibliothek und Archiv.

karten-mit-lupe

Wir sind als Heimatverein wieder gefragt!

Hr. Thonert: Wir sind heute als Heimatverein wieder gefragt! Als ich hier vor 40 Jahren anfing, war immer die erste Frage: „Sind Sie Vertriebene?“ Die Leute hatten ein antiquiertes Bild von uns, dachten, wir seien ein bisschen rechts. Ich selber bin echter Zehlendorfer und kam aus persönlichem Interesse 1976-77am Bezirk zum Heimatverein. Ich musste mich jedoch schier aufdrängen, weil der damalige Vorsitzende dachte, ich sei eigentlich zu jung.

Hr. Laschinsky: Dabei gibt es auch besonderes Interesse von Schulgruppen im Rahmen Sozialkunde, insbesondere der dritten und vierten Klasse. Sie kommen, um ihre Umgebung zu erkunden und hier in die Geschichte einsteigen. Kinder können hier viel über ihren Bezirk lernen, bspw. über die räumliche Entwicklung am Modell, welches Zehlendorf von 1820 zeigt.

Zehlendorf Miniaturansicht Modell

Exponate im Keller der Süd-Grundschule

Fr. Bossier-Steuerwald: Wie ist das Museum unterteilt, was können Besucher über Zehlendorf erfahren?

Hr. Laschinsky: Wir greifen die Geschichte punktuell auf, sodass der Besucher einen zeitlichen roten Faden anhand unterschiedlicher Themen bekommt. In den einzelnen Zimmern finden sich so: 1. Eiszeit & Eisenzeit, 2. Das Mittelalter, 3. Die Kurfürstenstrecken zwischen Berlin und Potsdam, die Schul- und Wissenschaftsecke, das Dorfzimmer mit benanntem Modell und das Kaiserzeitzimmer, also Zehlendorf bis 1920 zur Eingemeindung Berlins. Im letzten Raum finden ständig wechselnde Ausstellung statt, deshalb haben wir nichts Neueres…

Hr. Thonert: …und weil der Platz begrenzt ist! In diesen Räumlichkeiten sind wir seit Anfang der 1970er Jahre, vorher waren wir nur mit einem Büro im Seniorenheim Scharfe- Stift. Wir hatten auch mal das Angebot in die Onkel-Tom-Feuerwache zu gehen, ( jetzt Volkshochschule), aber wir haben abgelehnt, da wir dann gar keine Laufkundschaft mehr gehabt hätten. Ansonsten lagern noch weitere Exponate im Keller der Süd-Grundschule, wie Originalzeitungen, Uniformen oder historische Kleidung.

Klaus-Peter Laschinsky im Interview
Klaus-Peter Laschinsky, Vorsitzender des Heimatvereins Zehlendorf, konzipiert Sonderausstellungen sowie Veranstaltungen und ist für die Mitgliederpflege des Vereins zuständig.

Wo jede Antwort drei neue Fragen aufwirft

Fr. Bossier-Steuerwald: Was ist das außergewöhnlichste Exponat?

Hr. Laschinsky: Das kommt auf die Interessen drauf an. Ich bin von dem Wilski-Plan (des Architekten Ernst Wilski) begeistert, eine Darstellung Zehlendorfs von 1912. Da haben wir die original Steindrucktafel, was selten ist, weil diese Tafeln sich eigentlich im Gebrauch abschleifen.

Hr. Thonert: Ferner ist natürlich die original Uniform des Eisernen Gustavs ein Highlight, aber unser wichtigster Schatz liegt eigentlich unten im Panzerschrank: Historische Adressbücher mit Geschäften, Gewerbeeinträgen und Privatpersonen, nach Straßen geführt… Sollte hier mal alles abrennen, könnte man mit diesen Büchern wieder von vorne anfangen!

Jürgen Thonert mit Karte

Fr. Bossier-Steuerwald: Nebst den Ausstellungsräumen beherbergen Sie hier eine Bibliothek…

Hr. Laschinsky: Ja, in ihr befinden sich Bücher zur Geschichte der Zehlendorfer Ortsteile, Chroniken, Bildbände, Darstellungen und natürlich auch einzelner Einrichtungen wie dem Oskar-Helene-Heim. Auch die Zehlendorfer Kirchen haben Chroniken aus Anlass von Jubiläen rausgegeben, all das haben wir hier!

Hr. Thonert: Unter den Dachschrägen haben wir außerdem Schulchroniken und ein großes Stichwortverzeichnis. Wenn Sie unter „F“ gucken, finden Sie da bspw. alles zur Feuerwehr! Auf der anderen Seite haben wir ein Personenregister, da finden Sie Aufzeichnungen zum Leben und wirken einzelner Personen wie den Zehlendorfer Bürgermeistern oder Johann Peter Süßmilch. Aus dem Bezirksamt haben wir Zeitungsauschnitte übernommen…

Historische Fotos aus ZehlendorfFr. Bossier-Steuerwald: Wir befinden uns gerade im Archiv des Heimatmuseums. Welche Fragen werden hier beantwortet?

Hr. Thonert: Privatpersonen kommen oft mit Anliegen wie „Unser Opa wird 80 Jahre alt und wir möchten ihm ein historisches Foto seines Geburtshauses schenken.“ Dann kommen auch viele Journalisten, die einer Quelle auf den Grund gehen wollen, ohne Informationen woanders abzuschreiben und Schüler für Aufsätze oder Abiturarbeiten.

Hr. Laschinsky: Wir haben auch häufig Besuch von Filmteams, die historische Aufnahmen machen und wissen wollen, wie die Bepflanzung einer Zehlendorfer Gartenanlage, bspw. der Liebermann-Villa, vor 40 Jahren war. Oder Architekten besuchen uns, weil sie etwas denkmalgerecht wieder herstellen wollen.

Historische Fotos aus ZehlendorfHr. Laschinsky: Eines Tages kam der RBB und wollte wissen, warum der U-Bahnhof „Onkel Toms Hütte“ heißt. Man meint ja allgemein, dass der Name von dem gleichnamigen Roman stammt, aber das stimmt nicht! Es gab nämlich mal ein Gartenlokal am Riemeistersee dessen Betreiber von seinen Gästen „der lange Tom“ genannt wurde. Und weil das Lokal so eine komfortable Hütte war, wurde es dann zu „Onkel Toms Hütte“…

Informationen zum Heimatmuseum Berlin Zehlendorf

Im Heimatmuseum ist der Eintritt frei, bzw. basiert auf Spendenbasis. Es werden immer ehrenamtlich Helfer gesucht, bspw. für den Besucherempfang, bitte melden! Im Archiv zur Ortsgeschichte befinden sich historische Fotos, Postkarten und eine Landkartensammlung sowie Mikrofilme mit dem Zehlendorfer Anzeiger (ab 1877), Leporellos (bspw. Frontansicht Teltower Damm 1935) und Chroniken (nach Themen: „Zur Geschichte des Zehlendorfer Wappens“). Der Heimatverein nimmt gerne neue Mitglieder auf! Die gut 300 Mitglieder von 25 bis 98 Jahren müssen für den Unterhalt des Museums aus eigenen finanziellen Mitteln aufkommen (die Unterstützung vom Kulturamt ist lediglich Anlaß- und Projektbezogen). Mitgliedsbeitrag 2,50€/ Monat oder 31€/ Jahr, Veranstaltungskalender & Jahrbuch und Heimatbriefe inklusive.

Text & Fotos: Sandy Bossier-Steuerwald

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